Bildung im Vorübergehen:

Conradstraße

Zusatzschild-Text:
Nationalökonom, Professor in Halle, Spezialist für Agrarstatistik und -politik
Spender:
gespendet von Mario Kerzel
Status:
Vorschlag

Johannes Conrad (1839 – 1915)

Am 28. Februar 1839 wurde Johannes Conrad als neuntes Kind des Gutsbesitzers Ernst Friedrich Conrad und seiner Frau Cäcilie, Tochter des Amtsrats Nathanael von Kries, auf dem Gut Borkau im Kreis Mewe, Westpreußen geboren.
Bereits in Conrads zweitem Lebensjahr zog die Familie auf das Gut Plochoczin, Kreis Schwetz, Pommern, wo er seine Kindheit und Jugend verbrachte. Nach Privatunterricht auf dem elterlichen Gut, der auch Landwirtschaft und Tischlerei beinhaltete, besuchte er von 1851 bis 1857 das Danziger Gymnasium. Es stand außer Frage, dass Johannes Conrad Landwirt wird und das elterliche Gut übernimmt. Ein Unfall beim Schlittschuhlaufen im Winter 1853 führte jedoch zu einer ihn lebenslang beeinträchtigenden Knochenerkrankung, worauf er seinen vorgesehenen Lebensweg ändern musste.

Conrad studierte 1861 Naturwissenschaften in Berlin, wechselte bereits im drauffolgenden Jahr zum Studium der Staatswissenschaften nach Jena. Hier promovierte er 1864 bei Bruno Hildebrandt mit einer Studie über Justus von Liebigs Theorie der Bodenerschöpfung. 1868 habilitierte er sich mit einer Arbeit über das Wesen der landwirtschaftlichen Produktionsstatistik. Zwei Jahre später wurde Conrad in Jena zum Extraordinarius ernannt, wofür er seine erste Besoldung mit 300 Talern erhielt. Außerdem wurde er in die Jenaer Stadtverordnetenversammlung gewählt.

1872 berief ihn die hallesche Universität zum ordentlichen Professor für Nationalökonomie als Nachfolger von Gustav Schmoller.
Im Sommersemester 1875 hielt Conrad Vorlesungen über Armenwesen und Proletariat, Volkswirtschaftslehre, Finanzwissenschaft. Für das Studium der Landwirtschaft hielt er im Wintersemester 1877 Vorlesungen über Nationalökonomie und deren Geschichte, Statistik, theoretische und praktische Übungen. Im Studienjahr 1885/86 war er Rektor der Universität.

Häufig zog die Regierung ihn bei den Themen Währung, Zoll und Schulgesetzgebung zu Rate. Nachhaltigen Einfluss übte er in den Fragen der Schutzzölle und der Getreidezölle aus. Von 1889 bis 1895 war Conrad Mitglied der II. Kommission zur Bearbeitung des Bürgerlichen Gesetzbuches.

Im April 1874 gehörte Prof. Conrad zu den Mitbegründern des halleschen „Vereins für Volkswohl“ zur Verbesserung des „leiblichen, sittlichen und geistigen Wohls“ der halleschen Bevölkerung. Auf dessen Initiative wurden eine Volksküche und eine Lesehalle am Hallmarkt eingerichtet; der Verein bemühte sich um Wohlfahrtspflege und Bildungsarbeit.

Schon als junger Erwachsener hatte Johannes Conrad auf Anraten der Ärzte mehrere Reisen in Heilbäder unternommen, wo er den gesellschaftlichen Umgang mit einer oft bedeutend älteren Klientel lernte. Später führten ihn ausgedehnte Studienreisen in die Schweiz, nach Italien, Frankreich, Großbritannien und nach Nordamerika, wobei sich Conrad von fachkundigen Personen Einblicke in die Wirtschaft, Landwirtschaft, Politik und das Sozialwesen der jeweils bereisten Region geben ließ.

Johannes Conrad verfasste mehrere Lehrbücher und Leitfäden zum Studium der politischen Ökonomie, zu Nationalökonomie, Volkswirtschaftspolitik, Finanzwirtschaft und Statistik. Er edierte die von Hildebrandt begründeten „Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik“. Gemeinsam mit Edgar Loening, Ludwig Elster und Wilhelm Lexis begründete er das mehrfach aufgelegte »Handwörterbuch der Staatswissenschaften« (heute: »Handwörterbuch der Sozialwissenschaften«).

Der international geschätzte Gelehrte erhielt zahlreiche Ehrungen und Auszeichnungen: u. a. war er korrespondierendes Mitglied des Instituts de France und der Petersburger Akademie der Wissenschaften, Ehrenmitglied der American Academy of political and social sciences in Philadelphia, und er wurde zum Geheimen Regierungsrat ernannt.

In erster Ehe war Conrad verheiratet mit Bertha Hildebrandt, Tochter seines Jenaer Lehrers. Nach ihrem frühen Tod heiratete er Ida Ritschl, Tochter des Leipziger Philosophen Friedrich Wilhelm Ritschl, der in den 1830er Jahren an der halleschen Universität gelehrt hatte.

1914 zog sich Prof. Conrad aus der Lehrtätigkeit zurück. Am 25. April 1915 starb Johannes Conrad in Halle an einer Lungenentzündung. Auf dem halleschen Laurentiusfriedhof ist er begraben.

In seiner Zeit galt Geh.-Rat Prof. Dr. Johannes Conrad als eine Koryphäe auf dem Gebiet der Nationalökonomie – „Bannerträger der Volkswirtschaftslehre“ heißt es in einer Zeitung von 1913 und weiter: „eine ganze Generation von Volkswirten weiß, was sie dem großen Senior der Hallischen philosophischen Fakultät zu danken hat“.

Quellen:
Johannes Conrad: Lebenserinnerungen. Aus seinem Nachlaß herausgegeben von Else Kesten-Conrad und Herbert Conrad. 1917
Stadtarchiv Halle Familienarchiv FA 4393 Johannes Conrad
Johannes Conrad im Catalogus Professorum Halensis (Autor: HE)

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