Bildung im Vorübergehen:

Wolfgang-Borchert-Straße

Zusatzschild-Text:
Hamburger Lyriker und Dramatiker, „Draußen vor der Tür“, Mahner gegen Gewalt und Krieg
Spender:
gespendet von Brigitte Klein
Status:
realisiert am 22.11.2017

Wolfgang Borchert (1921-1947)

Wolfgang Borchert wurde als einziges Kind des Volksschullehrers Fritz Borchert und der plattdeutschen Schriftstellerin Hertha Borchert am 20. Mai 1921 in Hamburg-Eppendorf geboren. Eine Aufführung von Shakespeares Hamlet mit Gustav Gründgens in der Hauptrolle im Dezember 1937 weckte seine Begeisterung fürs Theater. Schauspieler wollte Wolfgang Borchert werden. So nahm er zusätzlich zu seiner Buchhändlerlehre (die er ohne Abschluss im Dezember 1940 beendete) Schauspielunterricht bei Helmuth Gmelin (1891-1959). Nach der erfolgreichen Schauspielprüfung vor der Reichstheaterkammer im März 1941 erhielt er eine Anstellung an der Landesbühne Osthannover in Lüneburg. Diese für ihn glücklichste Zeit währte leider nur kurz, da er am 6. Juni dieses Jahres zur Wehrmacht eingezogen wurde.

Als Funker wurde Borchert im September 1941 an die Ostfront, nach Pytalovo, Witebsk und Smolensk geschickt. Während der Teilnahme am Winterkrieg an der Ostfront erkrankte Borchert erstmals an Gelbsucht. Eine Schussverletzung an der linken Hand, welche zur Amputation seines Mittelfingers führte, wurde ihm als Selbstverstümmelung angehängt. Das Gericht sprach ihn zwar frei, er kam jedoch wegen angeblicher heimtückischer Angriffe auf Staat und Regierung wieder in Untersuchungshaft und wurde zu sechs Wochen verschärfter Haft mit Frontbewährung verurteilt. Bei dem erneuten Einsatz an der Ostfront im Dezember 1942, wo Borchert als Melder ohne Waffe dem Feind allein gegenüberstand, erlitt er Erfrierungen 1.-2. Grades an beiden Füßen, erkrankte zudem erneut an Gelbsucht und zusätzlich an Diphtherie. Nach Lazarettaufenthalten in Smolensk und in Elend im Harz wurde ihm im Sommer 1943 zweimal Heimaturlaub in Hamburg gewährt. Im August, nach den verheerenden Bombenangriffen auf die Stadt, die das Elternhaus verschont hatten, trat Borchert als Kabarettist im nicht zerstörten Bronzekeller auf. Im November wurde er wehruntauglich geschrieben und sein Antrag auf Versetzung zu einer Schauspieltruppe der Wehrmacht bewilligt.

Am Abend vor seiner Entlassung parodierte er Goebbels. Ein Kamerad denunzierte Borchert, der daraufhin ins Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis Berlin-Moabit überführt wurde. Wegen „Zersetzung der Wehrmacht“ wurde er am 21. August 1944 zu neun Monaten Gefängnis unter Anrechnung seiner Untersuchungshaftzeit verurteilt und im September zur Feindbewährung nach Jena entlassen. Seine weiterbestehende Krankheit wurde nicht behandelt. Bei einem Einsatz im März 1945 im Raum Frankfurt am Main geriet Borchert in französische Gefangenschaft, floh während des Transports und gelangte zu Fuß kurz nach Kriegsende nach Hamburg zurück. Trotz wiederkehrender Fieberanfälle und seiner ihn zunehmend schwächenden Lebererkrankung stürzte er sich sofort ins Theaterleben. Zusammen mit Schauspielfreunden gründete er das Theater Die Komödie, das auch aufgrund von Borcherts Krankheit nur einen Monat bestand. Er arbeitete als Regieassistent für seinen früheren Schauspiellehrer Gmelin und trat im Kabarett auf. Ab November 1945 musste Wolfgang Borchert seine schauspielerische Tätigkeit jedoch aufgrund seiner Erkrankung aufgeben. Die Ärzte konnten ihm nicht mehr helfen.

Bereits in seiner Schulzeit hatte Wolfgang Borchert Gedichte geschrieben. Bis zu zehn Gedichte produzierte er täglich, bis 1940 entstanden drei Dramen. Oft legte er seine Werke den Briefen an die Eltern oder Freunden bei. „Unerwünschte“ Gedichte führten im April 1940 zu seiner ersten Verhaftung durch die Gestapo. Nach dem Krieg im Januar 1946 entstand Borcherts erstes Prosastück Die Hundeblume, das seine Erlebnisse als Häftling reflektiert und von der Hamburger Freien Presse veröffentlicht wurde. Während seine Eltern ihn zu Hause pflegten, schrieb er rund 50 Prosatexte. Das Drama Draußen vor der Tür vom Spätherbst 1946 war sein Durchbruch als beachteter Autor. Zunächst wurde es im Februar 1947 als Hörspiel aufgeführt. Das Stück war so erfolgreich, dass es mehrfach wiederholt und von mehreren Bühnen zur Aufführung erworben wurde. Bis in die heutige Zeit ist es das meistgespielte deutschsprachige Drama. Das Leiden der Hauptfigur Beckmann spiegelte die Erfahrungen und Verzweiflung der aus dem Krieg heimgekehrten Soldaten wider und gab ihnen eine Stimme.

Neben seiner immensen schriftstellerischen Tätigkeit arbeitete Borchert vom Krankenbett aus als Lektor und Rezensent für den Hermes Verlag. Die Gedichtsammlung Laterne, Nacht und Sterne und die Prosasammlung Die Hundeblume wurden veröffentlicht.

In der Hoffnung auf eine bessere ärztliche Behandlung reiste Wolfgang Borchert zu einem Kuraufenthalt nach Basel, wo er am 20. November 1947 seinem Leberleiden erlag. Am Tag nach seinem Tod wurde in den Hamburger Kammerspielen sein Drama Draußen vor der Tür uraufgeführt. Auf dem Ohlsdorfer Friedhof in Hamburg ist seine Urne beigesetzt.

Sein letztes, im Baseler Krankenhaus geschriebenes Werk ist ein Apell an die Menschheit: Wenn jemals wieder zum Krieg gerüstet wird und die Menschen aufgefordert werden, die Kriegsmaschinerie zu unterstützen: Sag NEIN!

Antje Löhr-Dittrich


Quellen:

  • Gordon Burgess: Wolfgang Borchert. Ich glaube an mein Glück. Eine Biographie. 2007
  • Peter Rühmkorf: Wolfgang Borchert. 1961

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