Bildung im Vorübergehen:

Erhard-Hübener-Straße

Zusatzschild-Text:
Professor für Verwaltungslehre in Halle, 1946 – 1949 erster Ministerpräsident Sachsen-Anhalts, Ehrenbürger der Stadt Halle
Spender:
gespendet von der Halleschen Wohnungsgesellschaft mbH
Status:
realisiert am 17.02.2020

Friedrich Julius Erhard Hübener (1881-1958)

Am 4. August 1881 wurde Erhard Hübener als ältester Sohn des Pfarrers Ulrich Hübener und seiner Frau Emmy, Tochter des oberschlesischen Justizrates Langer, in Tacken (Prignitz) geboren. Nach dem Besuch des Gymnasiums in Seehausen (Altmark) und anschließend der Landesschule Pforta bei Naumburg studierte Hübener Staatswissenschaften, Geschichte und Philosophie in Kiel und Berlin. 1905 promovierte er mit einer Arbeit zur Nationalökonomie. Im Anschluss arbeitete er als volkswirtschaftlicher Sekretär und Syndikus der Handelskammer Berlin.

Im 1. Weltkrieg leistete Hübener seinen Dienst als Reserveoffizier in einem Feld-Artillerie-Regiment ab. Nach dem Krieg trat er der Deutschen Demokratischen Partei (DDP) bei. Ab November 1919 wurde er Beamter im preußischen Ministerium für Handel und Gewerbe. Im November 1922 ernannte ihn der Landtag der Provinz Sachsen in Merseburg zum 1. Landrat. Zwei Jahre später wurde er zum Landeshauptmann der preußischen Provinz Sachsen gewählt. Hübener bestimmte die Neugliederungsdebatte in der Provinz maßgeblich mit. Er warb für die Überwindung der territorialen Zersplitterung im Raum Halle-Leipzig, Anhalt und Teilen Thüringens. Im November 1929 schuf er ein Modell zur Dreiteilung Mitteldeutschlands in die Länder Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen. Zudem sprach er sich für eine Verlegung des Hauptstadtsitzes von Merseburg in eine der beiden Städte Magdeburg oder Halle aus (er bevorzugte dabei Halle), um von zentraler Stelle aus wirken zu können. Wegen der Weltwirtschaftskrise und aufgrund der Naziherrschaft wurde Hübeners Konzept einer Bildung des Landes Sachsen-Anhalt noch nicht verwirklicht. Auch seine Überlegungen zum Hauptstadtsitz wurden zu diesem Zeitpunkt abgelehnt.

Nachdem die NSDAP im Provinziallandtag von Merseburg im April 1933 die Mehrheit erzielt hatte, wurde Hübener zunächst beurlaubt und im August des Jahres zwangspensioniert. Die erzwungene Freizeit nutzte er in Jena, Berlin und Wernigerode zu wissenschaftlicher und literarischer Betätigung. Er veröffentlichte kleine Schriften unter dem Pseudonym F. J. Erhard. Das Theaterstück "Richter und Korsar" wurde nach dem Krieg 1946 in Halle uraufgeführt. Im 2. Weltkrieg diente Hübener als Offizier, wurde jedoch schon 1942 aus Altersgründen als Major der Reserve entlassen.

Nach dem Zusammenbruch des Nazi-Regimes gehörte Erhard Hübener zu den Mitbegründern der Liberaldemokratischen Partei in Wernigerode und in Halle, und er bemühte sich um die Neugestaltung der Provinzialverwaltung. Wenige Tage vor dem Abzug der amerikanischen Besatzungsmacht beriefen ihn die Amerikaner in sein altes Amt als Landeshauptmann der Provinz Sachsen zurück. Unmittelbar nachdem er die Geschäfte wieder aufgenommen hatte, erfolgte der Besatzungswechsel. Die Sowjetische Militäradministration (SMAD) übergab dem Liberaldemokraten Hübener Mitte Juli 1945 das Amt des Präsidenten der Provinz Sachsen. Wegen der geringeren Kriegszerstörung, der guten verkehrspolitischen Lage der Stadt und mit der Universität als geistig-kulturellem Zentrum erhielt die Provinzialverwaltung ihren Sitz in Halle. Auf der Grundlage von Hübeners Überlegungen in den 1920er Jahren wurde das Land Sachsen-Anhalt neu gegründet. Am 18. November 1946 trat erstmals der neu gewählte Landtag von Sachsen-Anhalt im Stadtschützenhaus in Halle zusammen. Am 3. Dezember 1946 wurde Erhard Hübener zum ersten Ministerpräsidenten des Landes gewählt (die Bezeichnung Land Sachsen-Anhalt war seit dem 21.7.1947 offiziell). Hübener war der einzige nicht der SED angehörige Ministerpräsident in der Sowjetischen Besatzungszone. Er setzte sich für die Einheit Deutschlands ein, für die Überwindung der wirtschaftlichen und sozialen Not und für den Wiederaufbau in Sachsen-Anhalt. Zeitweilig übte er zusätzlich das Amt des Finanzministers von Sachsen-Anhalt aus. Hübener trat zwischen den Parteien und der SED-Führung vermittelnd auf, erkannte aber immer mehr die Vergeblichkeit seiner Bemühungen um einen demokratischen und föderalen Neubeginn. Nach mehreren Anläufen trat er schließlich zum 1. Oktober 1949 von seinem Amt des Ministerpräsidenten zurück.

Bereits in seiner Zeit als Mitarbeiter im Handelsministerium in Berlin hielt Hübener nebenamtlich Vorlesungen an der dortigen Handelsschule. 1930 wurde er zum Ehrensenator der Universität Halle ernannt. Im August 1946 erhielt Hübener die Professur für Verwaltungslehre und Verwaltungswissenschaft an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Erst nach seinem Rücktritt als Ministerpräsident konnte er sich der Lehrtätigkeit an der Universität widmen.

Am 6. November 1948 wurde „dem hervorragenden Leiter des jungen Staatswesens, des Landes Sachsen-Anhalt, dem Verwaltungsmann, Volkswirtschaftler, Schriftsteller und Künstler Ministerpräsident Geheimrat Prof. Dr. h. c. Erhard Hübener“ der Ehrenbürgerbrief der Stadt Halle verliehen in „Anerkennung der überragenden Verdienste, die er sich in den Jahren 1918-1933 im Staatsdienst und in der Provinzialverwaltung Sachsen und in bis jetzt 3-jähriger Tätigkeit in schwerer Nachkriegszeit an der Spitze der Selbstverwaltung des Landes Sachsen-Anhalt erworben hat“. Zugleich wurde er von der Kommunalsteuer befreit und erhielt unentgeltliches Wohnrecht im städtischen Grundstück Heinrich-Heine-Straße 2.

Seit Mai 1951 lebte Erhard Hübener wieder in Wernigerode. Er starb am 3. Juni 1958 in Bad Salzuflen auf einer Kurreise und ist auf dem Wernigeröder Zentralfriedhof begraben.

Neben der Ehrenbürgerschaft erhielt Hübener noch weitere Ehrungen: Im Juli 1993 wurde in den Franckeschen Stiftungen die Erhard-Hübener-Stiftung gegründet. Am 03. Dezember 1996 wurde eine Gedenktafel am Regierungspräsidium Halle enthüllt. Seit 1990 trägt die Straße auf der Silberhöhe den Namen Erhard Hübeners.

Quellen:
Stadtarchiv Halle (StaH) FAUST-Datenbank
StaH Familienarchiv FA 2674 Hübener, Erhard
Matthias Tullner: Kleine Geschichte Sachsen-Anhalts, Halle 2012
Christina Trittel: Die Abgeordneten des ersten Landtages von Sachsen-Anhalt 1946-1950. Vom Scheitern demokratischer Hoffnung, Magdeburg 2007
Erhard Hübener: Lebenskreise. Lehr- und Wanderjahre eines Ministerpräsidenten. Hg. v. Thomas Klein, Köln, Wien 1984.

 

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