Bildung im Vorübergehen:

Agnes-Gosche-Straße

Zusatzschild-Text:
Kunsthistorikerin (Doktortitel Zürich 1898), Wegbereiterin der beruflichen Frauenbildung in Halle, Direktorin der Städtischen Frauenschule, Gründerin des ersten Volkskindergartens)
Spender:
gespendet von Dipl.-Med. Kerstin und Dr. André Öhlmann und von Burkhard Taube
Status:
realisiert am 01.10.2014

Agnes Gosche (1857-1928)

Am 26. August 1857 wurde Agnes Gosche als zweite von drei Töchtern des Orientalisten und Literaturwissenschaftlers Dr. Richard Gosche und seiner Frau Klara geb. Dieterici in Berlin geboren. 1863 zog die Familie nach Halle, nachdem der Vater als Professor an die hiesige Universität berufen worden war. Ihre Schulausbildung erhielt sie durch privaten Unterricht bei der Hallenserin Luise Lene und später durch ihren Vater. 1875 bestand Agnes Gosche nach privater Vorbereitung das Lehrerinnenexamen. Zunächst nahm sie für den Sommer 1876 eine Erzieherinnenstellung in der französischen Schweiz an und war danach in Halle als Lehrerin tätig, u. a. an der städtischen Mittelschule. Aus Interesse für die höhere Mädchenbildung richtete sie Privatzirkel für schulpflichtige Kinder ein und gab jungen Mädchen nach dem schulpflichtigen Alter Privatstunden, vor allem in französischer Sprache, Kunst- und Literaturgeschichte. Von 1885 bis 1896 unterrichtete sie am Seydlitzgymnasium (Heinrich-und-Thomas-Mann-Straße). Gleichzeitig studierte Agnes Gosche Kunstgeschichte, Französisch, Deutsch und Ästhetik in Paris (1881/82 zwei Semester und 1889 ein Semester), in Halle und Leipzig (1894-98). 1898 schloss sie ihr Studium in Zürich mit dem Doktorexamen im Hauptfach Kunstgeschichte ab. Der Titel ihrer Dissertation lautete: „Simone Martini: ein Beitrag zur Geschichte der Sienesischen Malerei im XIV. Jahrhundert“. Zurück in Halle nahm sie die Fortbildungskurse für die schulentlassenen Mädchen mit höherer Töchterschulbildung wieder auf und erweiterte die Ausbildung, indem sie weitere Lehrkräfte für die Ausbildung in Geschichte und Biologie hinzuzog. Im Wintersemester 1903 unterrichtete Agnes Gosche 70 bis 80 Schülerinnen. Zusammen mit ihrer Schwester Lisbeth führte sie eine Mädchenpension in ihrem Hause in der Karlstraße 9 (heute Franz-Andres-Straße).

1900 gründete Agnes Gosche den Hallischen Frauenbildungsverein als Ableger des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins und leitete diesen 28 Jahre. Zusätzlich vertrat sie viele Jahre den Hallischen Lehrerinnenverein als Vorstandsmitglied.

1904 übernahm Agnes Gosche die Leitung des von Dr. Henriette Goldschmidt gegründeten Lyzeums für Damen in Leipzig und unterrichtete dort Deutsch, Literatur, Kunstgeschichte und Pädagogik. Es war die erste Anstalt in Deutschland, welche die Ausbildung des Erzieherinnenberufs auf Fröbelscher Grundlage und die Allgemeinbildung nach der höheren Mädchenschule in einem Lehrplan verband. Auch ihre Mädchenpension nahmen die beiden Schwestern Gosche mit nach Leipzig. Einen Tag in der Woche kam sie nach Halle, um ihre Arbeit im Frauenbildungsverein fortzusetzen.

1911 nahm Agnes Gosche die Direktorenstelle der neu gegründeten Städtischen Frauenschule in Halle an und führte diese mit großem Erfolg bis zu ihrer Pensionierung 1923. Auf ihre Initiative hin war es hier Frauen erstmals möglich, Abschlüsse als Kindergärtnerin, Horterzieherin und Jugendleiterin zu machen. Im Jahre 1908, noch während ihrer Zeit in Leipzig gründete Agnes Gosche den ersten Volkskindergarten in Halle, 1912 folgte auf ihre Anregung die erste Kinderlesehalle.

Agnes Gosche hielt zahlreiche Vorträge zu kunstwissenschaftlichen, pädagogischen und frauenpolitischen Themen. Neben ihrer Dissertation veröffentlichte sie 1904 den Aufsatz „Mailand“ in der Zeitschrift „Berühmte Kunststätten“, 1910 einen „Abriss der Kunstgeschichte“ im Verlag des Waisenhauses und Artikel über Kunstgeschichte, Literatur und über die Frauenbewegung in verschiedenen Zeitschriften. Außerdem hat sie an Märchenbüchern mitgearbeitet.

Nachdem in der Zeit der Weimarer Republik das Wahlrecht für Frauen eingeführt worden war, kandidierte Agnes Gosche bei den Wahlen zur Nationalversammlung 1919 für die Deutsche Demokratische Partei (DDP). Anlässlich ihres 70. Geburtstages wurde Dr. Agnes Gosche am 26. Aug 1927 zur Ehrenvorsitzenden des Verbandes hallescher Frauenvereine. Sie starb am 14.3.1928 und wurde unter großer Anteilnahme der Öffentlichkeit auf dem Stadtgottesacker beigesetzt.

Antje Löhr-Dittrich


Quellen:
Stadtarchiv Halle, FA 1363 Dr. Agnes Gosche
Lisa Albrecht-Dimitrowa: „Dr. phil. Agnes Gosche, 1857-1928“. In: Frauenleben – Frauenalltag – gestern und heute. Hallenserinnen. Biografische Skizzen I, Heft 1, Courage e.V., 1995, S. 35-41.

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