Bildung im Vorübergehen:

Friedemann-Bach-Platz

Zusatzschild-Text:
Komponist, Musikdirektor, Organist an der Marktkirche, genannt „Hallescher Bach“
Spender:
gespendet von Monika und Klaus-Dieter Enghardt
Status:
realisiert am 29.01.2013

Wilhelm Friedemann Bach (1710-1784)

Am 22. November 1710 wurde Wilhelm Friedemann Bach in Weimar geboren als ältester Sohn des Barockkomponisten Johann Sebastian Bach (zu dieser Zeit in Weimar Hoforganist und Kammermusiker) und seiner ersten Frau Maria Barbara, Hofsängerin. Ab 1717 besuchte Friedemann Bach vermutlich die Lateinschule in Köthen, ab 1723 die Leipziger Thomasschule. Die musikalische Ausbildung (Klavier, Orgelspiel, Komposition) erhielt Bach im Elternhaus, mit 15 Jahren erlernte er das Violinspiel. Nach einem Studium an der Universität Leipzig (1729-1733, Jura, Philosophie und Mathematik) wurde er Organist an der Sophienkirche in Dresden. In der Dresdner Zeit entstanden seine sämtlichen Sinfonien.

Bereits im Sommer 1729 reiste Friedemann Bach nach Halle, um Georg Friedrich Händel – der gerade seine Mutter in der alten Heimat besuchte – nach Leipzig einzuladen (was wohl ohne Erfolg blieb). Im April 1746 trat Wilhelm Friedemann Bach in Halle die Nachfolge des verstorbenen Organisten der Marienkirche und städtischen Musikdirektors Gottfried Kirchhoff an, womit er sein Einkommen mehr als verdoppelte. In dieser Zeit entstanden zahlreiche Kirchenkantaten und Musiken zu Katechismuspredigten. Zu seinen Aufgaben gehörte auch die Leitung des Stadtsingechores und der Stadtpfeifer. Neben den beiden Orgeln in der Marktkirche und einem von Samuel Scheidt angekauften Regal standen Friedemann Bach noch über zwanzig Streich- und Blasinstrumente und zwei Pauken für den Organistendienst zur Verfügung.

Friedemann Bach war hoch angesehen als Musiker, geriet aber wiederholt in Schwierigkeiten mit seinen Vorgesetzten. Mehrfach bewarb er sich auf Ämter andernorts, erhielt zwar 1762 den Titel des Hessen-Darmstädtischen Kapellmeisters, jedoch nicht das Amt und die damit verbundenen Einnahmen. Zwei Jahre später kündigte er die Stelle in Halle und lebte fortan ohne feste Anstellung als freischaffender Künstler – in dieser Zeit ein waghalsiges Unternehmen, da ein Musiker entweder als Angestellter in der Hofkapelle oder als Kirchenmusiker im städtischen Dienst fest in die Institutionen der Gesellschaft des 18. Jahrhunderts eingebunden war. Friedemann Bach ging auf Konzertreisen, u. a. in Wien, London, St. Petersburg, er unterrichte und komponierte. 1770 zog er nach Braunschweig, im Frühjahr 1774 nach Berlin. Immer wieder bewarb er sich als Organist, galt als einer der größten Organisten seiner Zeit, erhielt aber keine feste Anstellung. Für kurze Zeit unterstützte ihn Prinzessin Anna Amalia, die Schwester des preußischen Königs Friedrich II., diese Gunst verlor er jedoch vermutlich durch eine Intrige. 1784 starb Friedemann Bach in ärmlichen Verhältnissen in Berlin. Er wurde auf dem Luisenstädtischen Kirchhof beigesetzt, welcher nach dem Zweiten Weltkrieg eingeebnet wurde.

Sein Werk umfasste Klavierwerke (Fantasien, Sonaten, Polonaisen), etwa 30 Kirchenkantaten, Konzerte und Sinfonien. Weniges davon hat er veröffentlicht. Er war ein Meister der Improvisation und ein gefeierter Orgelspieler: „Einer der größten Orgelspieler Deutschlands“ (Konzertbericht in den Berlinischen Nachrichten 1774); »Man hält ihn für den größten Fugisten und tiefsten Musikgelehrten in Deutschland« (Charles Burney, 1772); „Unstrittig der größte Organist der Welt“ (Christian Fr. D. Schubart, 1806 postum publ.).

Wo Friedemann Bach in seinen ersten halleschen Jahren wohnte, ist nicht bekannt. Nach dem Tod des Vaters (1750) heiratete er Dorothea Elisabeth Georgi (ca. 1725-1791), Tochter des Steuereinnehmers Johann Gotthilf Georgi, dem das heutige Grundstück Talamtstraße 9 gehörte. Möglicherweise hat die junge Familie einige Zeit im Haus des Steuereinnehmers gelebt. Die Eheleute hatten drei Kinder, von denen nur Friederike Sophie das Erwachsenenalter erreichte. Für die Jahre 1759/60 ist ein Mietwohnverhältnis in der Großen Nikolaistraße 8 oder 9 bekannt (beide Häuser existieren nicht mehr). Spätestens 1763 war Friedemann Bach mit Frau und Tochter in die „Clausbadstube“ an der Klausbrücke gezogen, wo er bis zum Weggang aus Halle 1770 lebte. Der vordere Teil dieses Hauses wurde 1832-34 neu erbaut, der hintere Teil mit der erhaltenen Bohlenstube besteht noch, wie ihn Wilhelm Friedemann Bach erlebt haben könnte. Heute befindet sich in dem nach dem „Halleschen Bach“ benannten Haus ein Musikmuseum der Stiftung Händel-Haus, das über die Musikgeschichte der Stadt Halle erzählt.

1945 erhielt der Platz vor der Moritzburg den Namen Wilhelm Friedemann Bachs. Vom 13. bis ins 15. Jahrhundert befand sich hier das sogenannte Judendorf mit der Synagoge. 1740 wurde das Gelände wegen der dort stattfindenden Exerzierübungen „Paradeplatz“ genannt.
Antje Löhr-Dittrich


Quellen:
Musketa, Konstanze & Christiane Barth: Musikstadt Halle. Führer durch die Ausstellung im Wilhelm-Friedemann-Bach-Haus Halle, Halle: Stiftung Händel-Haus 2012 (Wilhelm Friedemann Bach, S. 28-33).
Ehrler, Hanno: Freuden und Schmerzen in die Seele hinübertragen. Der Komponist Wilhelm Friedemann Bach (1710-1784), Radio-Feature des mdr, o. J.
Hagedorn, Volker: Zum 300. Geburtstag. Der Unvollendete. Künstlerlegende und Genie zwischen den Zeiten: Vor 300 Jahren kam Friedemann Bach in Weimar zur Welt. DIE ZEIT, Nr. 47, 18.11.2010.
de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Friedemann_Bach
Breitkopf, Peter: Talamtstraße 9. In: Hallesche Blätter 39, September 2010, Halle: Arbeitskreis Innenstadt e. V.

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