Bildung im Vorübergehen:

Geschwister-Scholl-Straße

Zusatzschild-Text:
Mitglieder der Studentengruppe „Weiße Rose“ im Widerstand gegen den Nationalsozialismus, in München hingerichtet
Spender:
gespendet von Ilse Hennig, Beate und Wolf Hempel sowie von Familie Beermann
Status:
realisiert am 22.09.2014

Hans Scholl, Sophie Scholl

Die Geschwister Scholl - Hans und Sophie Scholl - waren Mitglieder einer studentischen Widerstandsgruppe in München, die sich im Sommer 1942 und im Januar/Februar 1943 mit Flugblättern gegen den Krieg und die grausame Herrschaft der Nationalsozialisten wehrte. Der Kern der Gruppe bestand aus den Studenten Alexander Schmorell, Christoph Probst, Willy Graf, Hans und Sophie Scholl sowie dem Musikwissenschaftler und Philosophieprofessor Kurt Huber. Ihre ersten Flugblätter betitelten sie: "Flugblätter der Weissen Rose".

Hans und Sophie Scholl wuchsen mit ihren Geschwistern Inge (1917-1998), Elisabeth (*1920) und Werner (1922-1944) in einem humanistisch gesinnten Elternhaus auf. Der Vater Robert Scholl war zunächst Bürgermeister in Ingersheim/Württemberg, später in Forchtenberg. 1930 zog die Familie nach Ludwigsburg, zwei Jahre später nach Ulm, wo der Vater als Wirtschafts- und Steuerberater arbeitete. Die Mutter Magdalene Scholl war Krankenschwester und in der Armenhilfe engagiert. Der Vater stand dem Hitler-Regime kritisch gegenüber, was zunächst zu Auseinandersetzungen mit seinen Kindern führte und ihm auch eine Gefängnisstrafe und Berufsverbot einbrachte.

Hans Scholl wurde am 22. September 1918 in Ingersheim/Württemberg geboren. Gegen den Willen des Vaters trat er am 1. Mai 1933 in die Hitlerjugend ein und betreute bald als Fähnleinführer 150 Jungen. Beim Parteitag der NSDAP 1935 in Nürnberg vertrat er als Fahnenträger die Ulmer HJ. Mit seinen Erlebnissen dort - "der unsinnige Drill, die vormilitärischen Aufmärsche, das dumme Geschwätz, die ordinären Witze ... diese künstliche Begeisterung ... keine Zeit für ein vernünftiges Gespräch" - begann seine Abwendung von dieser Jugendorganisation. Er wandte sich daraufhin der von den Nationalsozialisten verbotenen bündischen Jugendbewegung mit ihren freiheitsliebenden Ideen zu. Im Winter 1935/36 gründete er seine eigene dj 1.11-Horte ("deutsche Jungenschaft vom 1.11.1929") und organisierte u. a. eine Lapplandfahrt. Während seines siebenmonatigen Reichsarbeitsdienstes in Göppingen, den er nach seinem Abitur 1937 absolvierte, wurden Hans und seine Geschwister wegen "bündischer Umtriebe" verhaftet. Das Verfahren gegen Hans wurde später eingestellt. Für die Zulassung zum Medizinstudium ließ er sich am Reservelazarett in Tübingen als Sanitäter ausbilden. Das Studium konnte er im April 1939 beginnen. Neben seinen naturwissenschaftlichen Pflichtfächern belegte er auch Vorlesungen in Philosophie. Im Frühjahr 1940 wurde Hans Scholl für ein halbes Jahr als Sanitätsfeldwebel in Frankreich eingesetzt. Über die Lektüre französischer Autoren entdeckte er das unorthodoxe Christentum für sich. Ihn beschäftigten Religionsphilosophen und Werke russischer Autoren. Im Januar 1941 bestand Hans Scholl sein Physikum. Ende Oktober 1941 lernte er über seinen Ulmer Freund Otl Aicher den katholischen Religionsphilosophen und Herausgeber der verbotenen katholischen Kulturzeitschrift "Hochland" Carl Muth kennen, dessen umfangreiche Privatbibliothek er in Folge ordnete. Über ihn fand Hans Scholl Kontakt zu weiteren regimekritischen Persönlichkeiten.

Sophie Scholl wurde am 9. Mai 1921 in Forchtenberg/Württemberg geboren. Sie trat im Januar 1934 ebenso begeistert wie ihr Bruder in den Bund Deutscher Mädels ein und übernahm auch führende Positionen. Dass ihre jüdische Freundin nicht in den Bund eintreten durfte, ließ sie an der Organisation zweifeln. Um dem Reichsarbeitsdienst zu entgehen, erlernte sie nach ihrem Abitur im März 1940 den Beruf der Kindergärtnerin. Die Ausbildung, die sie im Frühjahr 1941 mit dem Staatsexamen abschloss, wurde nicht als Ersatz anerkannt. So leistete sie ihren Arbeitsdienst ab April 1941 in Krauchenwies bei Sigmaringen ab. Im März 1942 kam sie in einen Kinderhort im Kriegshilfsdienstlager in Blumberg/Baden. Erst im Mai 1942 konnte Sophie Scholl ihr Studium der Biologie und Philosophie in München beginnen. Sie lebte dort zeitweise mit ihrem Bruder zusammen und lernte so seinen Freundeskreis kennen.

In München haben sich nach und nach die oben genannten Studenten zusammen gefunden. Sie trafen sich zu geselligen Abenden mit Gesprächen über Kunst, Literatur, Musik, Politik, Theologie und Philosophie. Sie gingen tanzen und sangen gemeinsam im Chor.

Nachdem sie die ersten Nachrichten über die Misshandlung der Juden erhalten hatten und die ersten Bomben über Städte abgeworfen waren, verfestigte sich im Sommer 1942 die Idee, nicht mehr nur passiven Widerstand zu leisten, sondern aktiv etwas gegen den Krieg und seine Urheber zu unternehmen. Zunächst schrieben Hans Scholl und Alexander Schmorell die ersten vier Flugblätter. Sie konnten für das Schreiben der Matrize (Vorlage) und deren Vervielfältigung das Atelier des befreundeten Architekten Manfred Eickemeyer benutzen.

Papier, Tinte und Briefmarken waren in Mengen zu besorgen, die eigentlich verdächtig wirken mussten. An 3000 Adressen, die sie aus Münchner Adressbüchern entnahmen, versandten sie die Flugblätter.

    Tagsüber gingen sie ganz normal ihrem Studium nach, nachts wurden die Flugblätter hergestellt. Ehemalige Klassenkameraden und Freunde aus den Jugendbündnissen halfen, die Flugblätter auch in anderen Städten zu verteilen. Die "Flugblätter der Weissen Rose" verurteilen den von den Nationalsozialisten verursachten Zivilisationsbruch. Als Maßstäbe moralischen Verhaltens werden Autoren der deutschen Klassik, der griechischen Antike sowie Auszüge aus der Bibel zitiert.

    Die "Flugblätter der Weissen Rose" sind ein Plädoyer für die Freiheit des Individuums. Sie verurteilen den verbrecherischen Charakter des NS-Staates und beschwören die Notwendigkeit zur politischen Umkehr und sofortigen Beendigung des Krieges. Auf christlicher und staatsphilosophischer Grundlage fordert Hans Scholl einen "gerechten Staat", der "die Freiheit des Einzelnen als auch das Wohl der Gesamtheit sichert".
    www.weisse-rose-stiftung.de > Wanderausstellungen > Ausstellung Hans Scholl

    Das erste beginnt mit den Worten: "Nichts ist eines Kulturvolkes unwürdiger, als sich ohne Widerstand von einer verantwortungslosen und dunklen Trieben ergebenen Herrscherclique ,regieren' zu lassen." Es gipfelt im Aufruf, passiven Widerstand zu leisten.

    Das zweite Flugblatt berichtete über die Ermordung von 300.000 polnischen Juden: "Hier sehen wir das fürchterlichste Verbrechen an der Würde des Menschen, ein Verbrechen, dem sich kein ähnliches in der ganzen Menschheitsgeschichte an die Seite stellen kann." Das dritte Flugblatt rief nachdrücklich zur Sabotage auf, das vierte endet mit den Worten "Wir schweigen nicht, wir sind Euer böses Gewissen, die Weiße Rose lässt Euch keine Ruhe!"

Die Sommerferien über wurden Hans Scholl und seine Freunde an die russische Ostfront berufen. Da Alexander Schmorell geborener Russe war, hatten sie über ihn Zugang zur russischen Bevölkerung - sie lernten das Land und die Menschen näher kennen, kehrten bei ihnen ein, tanzten und sangen mit ihnen. Auch hier gründete Hans Scholl einen Chor. Die Sinnlosigkeit des Krieges wurde ihnen hier noch einmal überdeutlich vor Augen geführt.

Während dieser Zeit wurde Robert Scholl verhaftet, Sophie Scholl erneut zum Arbeitsdienst eingezogen, ihrem Vater spielte sie mit der Flöte Lieder vor dem Gefängnis.

Nach ihrer Rückkehr aus Russland im November 1942 nutzten sie die drei Wochen Urlaub zur Erweiterung ihres Kreises. Sie knüpften Kontakte nach München, Saarbrücken, Stuttgart, Berlin, Hamburg.

Für die Verbreitung des 5. Flugblattes reisten sie mit gefälschten Urlaubsscheinen und auch ohne Fahrschein in verschiedene deutsche Städte und auch nach Wien, sie schickten die Briefe per Ortspost von dort, um so den Eindruck einer großen deutschlandweiten Widerstandsbewegung zu erwecken. Sie verteilten die Flugblätter über Nacht in der Stadt und schrieben Parolen gegen Hitler und den Krieg an Häuserwände.

Das 6. und letzte Flugblatt mit der Überschrift "Kommilitonen! Kommilitoninnen!" nahm die Niederlage von Stalingrad zum Anlass, zum Kampf gegen die NSDAP aufzurufen. Es war von Prof. Kurt Huber verfasst und wurde von Hans und Sophie Scholl in der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität verteilt. Am 18. Februar 1943 legten sie die Flugblätter auf den Treppen und auf Fenstersimsen aus. Als Sophie einen Stapel Flugblätter aus dem zweiten Stock uns Foyer fliegen ließ, wurden sie vom Hausmeister Jakob Schmid ertappt. Er denunzierte die beiden, sie wurden von der Gestapo verhaftet und verhört.

Den Entwurf eines 7. Flugblattes aus der Feder Christoph Probsts, den Hans Scholl in der Tasche hatte, konnte er nicht schnell genug vernichten, so dass mit den beiden Geschwistern Scholl auch Christoph Probst am 22. Februar vor dem Volksgerichtshof in einem Schnellverfahren wegen Vorbereitung zum Hochverrat zum Tode verurteilt wurde. Das Urteil wurde kurz nach der Verhandlung am Nachmittag im Vollstreckungsgefängnis München-Stadelheim ausgeführt.

In den Verhandlungsprotokollen wurden die Geschwister Scholl und Christoph Probst als "gefasst" beschrieben. Sie standen zu ihren Aktionen und sprachen von der Hoffnung, damit ihr Vaterland vor dieser Schreckensherrschaft retten zu können. Laut Gestapo-Protokoll waren die letzten Worte Hans Scholls: "Es lebe die Freiheit! Es lebe Deutschland!"

Weitere Festnahmen, Verhandlungen und Hinrichtungen folgten. Alexander Schmorell, Kurt Huber und Willi Graf wurden in einem weiteren Prozess am 19. April ebenfalls abgeurteilt und Monate später hingerichtet. Im Dezember 1943 warfen amerikanische Bomber das 6. Flugblatt über deutschen Städten ab.

Der Hausmeister wurde von der Regierung befördert, nach dem Krieg zu einer Haftstrafe verurteilt. Inge Scholl, die jüngere Schwester der Geschwister und ihre Freunde, die die Zeit überlebten, hielten die Geschichte der Weißen Rose im Gedächtnis. Vor der Ludwig-Maximilians-Universität München stehen Denkmale zur Erinnerung. Verschiedene Stiftungen erinnern an ihren Mut. Jährlich wird der Geschwister-Scholl-Preis vergeben für ein zeitgenössisches Buch, "das von geistiger Unabhängigkeit zeugt und geeignet ist, bürgerliche Freiheit, moralischen, intellektuellen und ästhetischen Mut zu fördern und dem gegenwärtigen Verantwortungsbewusstsein wichtige Impulse zu geben" (http://www.geschwister-scholl-preis.de/preis/index.php).

Zahlreiche Straßen, Plätze sind nach den Geschwistern Scholl benannt. Die Geschwister-Scholl-Straße in Halle erhielt ihren Namen im September 1950 nach einem Stadtratsbeschluss (zuvor Krosigkstraße, bis 1935 Angerstraße).

Antje Löhr-Dittrich

Umfassende Informationen, Quellen und Literatur zu den Geschwistern Scholl und zur Weißen Rose (u.a.):
 

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